- Marokkokrise, Zweite
- Marokkokrise, ZweiteDie nach der Algeciras-Akte geplante wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich in Marokko war nicht zustande gekommen. Als Frankreich sich entschloss, dem Sultan von Marokko gegen aufständische Berberstämme mit einer militärischen Aktion zu Hilfe zu kommen, und die Stadt Fes besetzte, glaubte die deutsche Reichsregierung, ihrerseits durch eine militärische Demonstration die deutschen Ansprüche in dieser Region zur Geltung bringen zu müssen, bevor Frankreich Marokko vollständig vereinnahmen würde. Sie entsandte das Kanonenboot »Panther« am 1. Juli 1911 zum westmarokkanischen Hafen Agadir.Die deutsche Reichsregierung verfolgte mit diesem drastischen Vorgehen das Ziel, die französische Regierung zur Aufnahme von Kompensationsgesprächen zu zwingen. Für die Zustimmung des Deutschen Reichs zur Besetzung Marokkos durch die Franzosen erwartete sie die Abtretung des gesamten französischen Kongogebietes.Die Reaktion auf das deutsche Vorgehen war ein enger Zusammenschluss der beiden Ententemächte Frankreich und Großbritannien. Frankreich lehnte die deutschen Forderungen entschieden ab, und Großbritannien richtete an die deutsche Adresse die unmissverständliche Warnung, Frankreich werde im Falle eines deutschen Angriffs nicht allein gelassen werden. Nach langen und zähen Verhandlungen über den Umfang der französischen Zugeständnisse kam am 4. November 1911 der Marokko-Kongo-Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich zustande. Frankreich erhielt freie Hand für die Errichtung des französischen Protektorats über Marokko, zugleich wurde für alle Mächte in dieser Region Handelsfreiheit garantiert. Die Deutschen mussten sich mit der Überlassung kleinerer Randteile des französischen Kongos, die im Wesentlichen der deutschen Kolonie Kamerun zugeschlagen wurden, zufrieden geben.Das Ergebnis der Verhandlungen, das in Deutschland zu nationalistischen Protesten führte und als schwere politische Niederlage empfunden wurde, gab in Frankreich zu ähnlich scharfer Kritik und zum Sturz der Regierung Anlass. Eine Entspannung zwischen den beteiligten Mächten, die auf dem Höhepunkt der Krise bereits Mobilisierungsmaßnahmen eingeleitet hatten, war durch das Abkommen nicht erreicht worden.
Universal-Lexikon. 2012.